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Inselgemeinschaften
Zersplitterung mit hohem Preis

von Christian Hennecke, © Juli 2006

Christian HenneckeChristian Hennecke ist Chefredakteur des VOICE Newsletter. Von Hause aus eigentlich Geograph betreibt er ein Unternehmen für IT-Consulting und Service.

Vielbeschworen ist sie seit langem, jedoch eher nur ein Wunschbild gewesen, die OS/2-Community oder die Gemeinschaft der OS/2-Anwender. Ketzerisch, ja. Doch wer die Euphorie des angesprochenen Wir-Gefühls hinter sich läßt und willens ist, die rosarote Brille abzusetzen, wird anderem ins Auge schauen: Barrieren, Isolation, Zersplitterung, Inseln.

Der Gründe sind viele. Auf globaler Ebene sprachlicher, kultureller, politischer, ökonomischer, geographischer und – historisch – technischer Natur. Man denke nur an die Länder des ehemaligen Ostblocks oder an das Erstaunen, als die Arbeiten des Team MMOS/2 Tokio bekannt wurden. Engt man den Blickwinkel mehr auf das Lokale ein, spielen ebenfalls Gründe persönlicher Natur eine Rolle – nicht nur strikt geographisch gesehen. Auch im Usenet kommen Animositäten zum Tragen.

Es ist kein statisches Bild, das sich hier darstellt, sondern eine Welt im Fluß. Wassertropfen, die sich bei Begegnung vereinigen und durch Hindernisse wieder aufgetrennt werden. Während die Zahl der OS/2-Anwender schrumpfte, trat das Internet seinen Siegeszug mit immer schneller werdenden Zugängen an und erlangte so entscheidende Brückenfunktion. Das Verschwinden kommerzieller ISVs wurde zumindest in einigen Bereichen durch Freeware-Entwickler aufgefangen. Nach IBMs Rückzug haben SSI und Mensys OS/2 mit eComStation einen entscheidenden Schritt weitergebracht.

All dies hat jedoch die eingangs beschriebene Situation nicht beseitigt, sondern nur entschärft. Nach wie vor steht man sich und einer wirklichen Verbesserung durch Isolation und Kochen eigener Süppchen selbst im Wege, und die Inselgemeinschaften bleiben bestehen. Irgendwann wird man sogar auf Situationen treffen, in denen von einer Gemeinschaft nicht mehr die Rede sein kann.

Denn was ist eigentlich eine Gemeinschaft?

Eine Gruppe von Personen, die durch gemeinsames Denken, Fühlen, Wollen oder durch Schicksal (Not, Gefahr) verbunden sind. - Der Brockhaus, Mannheim 1992.

Im Falle der OS/2-Anwender könnte man eigentlich einen hohen Grad an Gemeinsamkeit annehmen – insbesondere der Punkt Gefahr birgt ein hohes Einigungspotential. Die Realität sieht hier jedoch anders aus. Die Heterogenität der Gruppen ist oft so hoch, daß man statt von einer Gemeinschaft eher von einer Gesellschaft im ökologischen Sinne sprechen muß:

Eine interagierende Gruppe verschiedener Arten in einem Areal.

Was den Faktor Konkurrenz und seine Konsequenzen mit beinhaltet. Bestehende Gesellschaften befinden sich in einem Zustand des Gleichgewichts. Wird dieses gestört, läuft ein Prozeß an, der in einem neuen, anderen Gleichgewichtszustand enden kann – aber auch im Zusammenbruch.

Die OS/2-Welt hat viele solcher Übergänge hinter sich. Die Tatsache, daß sie immer noch besteht, liefert jedoch keinen Grund zu der Annahme, es werde schon weiterhin gutgehen. Denn die stark gesunkenen Bevölkerungszahlen bedingen eine größere Empfindlichkeit für Störungen bei stärkeren Reaktionen. Daß dies auch für Störungen von innerhalb gilt, sollte spätestens mit dem Rückzug wichtiger Entwickler wie Ulrich Möller und Christopher Wohlgemuth deutlich geworden sein. Es drängt also, dem etwas entgegenzusetzen.

Aber was kann zur Stärkung der Einzelgemeinschaften und Gesellschaften und Bereitung der Grundlage für ein Zusammenwachsen zu einer wirklichen Gemeinschaft getan werden? Appelle, persönliche Einstellungen, Befindlichkeiten und Animositäten zugunsten der guten Sache zurückzustellen oder statt eines vampirischen Konsumierens auch etwas zurückzugeben, sind weitestgehend sinnlos. Ein jeder Kopf der Hydra der Querulanten und Anti-eComStation-Kreuzzügler wird nachwachsen. Bessere Ansatzmöglichkeiten bieten die Schlüsselpunkte Information und Ressourcenoptimierung, wobei ein guter Informationsfluß Voraussetzung für eine Verbesserung der Ressourcennutzung ist. Es sind Brücken zwischen den Inseln zu bauen. Synergieeffekte können helfen, die dabei auftretende, hinderliche Trägheit zu überwinden – sprich: die Brücken müssen einen bilateralen Austausch zulassen.

Genau an diesen Punkten greift nun ein neues Projekt an: OS2News.com. Der verfolgte Ansatz ist erfolgversprechend, denn er ermöglicht ein schrittweises Zusammengehen im laufenden Betrieb und birgt umso mehr Vorteile, je mehr sich daran beteiligen. Mehr dazu in unserem Interview mit einem der Initiatoren.

Korrektur: Bärbel Hennecke