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Februar 2005

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Was geschah mit Warp für den PowerPC?

Von George W. Archer © Februar 2005, Übersetzung: Joachim Moritz

Jemand schrieb an os2hardware@yahoogroups.com und fragte, ob irgendjemand eine Ausgabe hätte von:

Official Guide to Using OS/2 Warp, PowerPC
by Karla Stagray, Linda Rogers
Publisher: Hungry Minds Inc (1. Juno 1996)

Ich selbst habe dieses Buch nicht, aber die Existenz des Buches erinnerte mich an einen Versuch, den ich startete, um ein Exemplar von OS/2 für den PowerPC zu erhalten, indem ich direkt bei IBM in Austin, Texas, anrief. Es war im Jahr 1996, nachdem IBM angekündigt hatte, man würde mit einer PPC-Version von Warp 3 oder 4, das auf einem PowerPC lauffähig wäre, in Produktion gehen. Ich gierte nach dieser Veröffentlichung, um die Multi-OS-Möglichkeiten und die Leistungen der Echtzeit-Virtuellen-Maschine testen zu können.

Der Vertreter der technischen Abteilung, mit dem ich sprach, sagte mir, daß diese OS/2 Version für den PowerPC nur auf zwei speziellen Linien der IBM Mainboards, die für 4 verschiedene Modelle (2 Desktop-PCs und 2 Laptops) gefertigt würden, lauffähig wäre:

Personal Computer Power Series 830 (PowerPC 604) $2,795


Series 850 (PowerPC 604) unter $6,000


ThinkPad Power Series 820 (PowerPC 603e - weniger als $6000

Series 850 - (PowerPC 603e) – Zum Verkauf angekündigt für Juli 1995

Die Spezifikationen dieser PPC-Rechner sind in folgendem Buch nachzulesen:

"Exploring the IBM PCPower Series - The instant insider's
Guide to IBM's Revolutionary New Personal Computers"
by Jim Hoskins and David Bradley
Maximum Press, 1996
ISBN 0-9633214-5-5

Maximum Press 605 Silverthorn Rd, Gulf Breeze, FL 32561 904-934-0819

Nach einer Unterhaltung mit IBM in Austin, Texas, habe ich die Hoffnung aufgegeben, jemals so einen unter Warp 4 laufenden, RISC-basierten Computer besitzen zu dürfen. Trotzdem behielt ich das Buch in meiner Bibliothek als Erinnerung und als Sammlerstück.

In das Buch "Exploring the IBM PCPower Series" habe ich ein paar Zeitungsausschnitte hineingelegt, die die Entwicklung des unglückseligen OS/2 für PPC und der vier PC-Typen, die IBM hoffte verkaufen zu können, dokumentieren. Sie zeigen IBMs Unfähigkeit, das gleiche Spiel wie Microsoft zu spielen, das eher mit einer Software (einem Betriebssystem) als mit Hardware den Markt dominiert. IBM versuchte auf ihre üblichen hardware-zentrierte Art und Weise mittels des PPC-Chip ein neues Betriebssystem (wirklich eine Warp 3 Neufassung!) einzuführen, um dann eine neue PPC-basierte PC-Linie in den Markt zu bringen, auf denen dann verschiedene Applikationen laufen sollten, die ursprünglich für andere CPUs und andere Betriebssysteme geschrieben waren. Es hat nicht funktioniert.

Im "OS/2 Magazine" vom April 1994, auf den Seiten 33-37 wurden auch einige technische Details und eine mögliche Version von Warp diskutiert, das anfänglich auf einem PowerPC 601 Chip (für spätere Upgrades auf die 603, 603e und 604 Chips) gemacht war. Auch in "Byte" und "InfoWorld" gab es im späten 1994 Ankündigungen zu diese Entwicklungen. IBM gab auf der 1994er Comdex Demos heraus und kündigte die Desktop Version für den August 1994 zu einem möglichen Verkaufspreis von etwa $2500 an.

Konfrontiert mit negativen Kommentaren von Experten aus der Industrie begann IBM ab Oktober 1994 nochmals genauere Überlegungen anzustellen. Danach ging es bergab. IBM stieß bei der Implementierung bestimmter Eigenschaften im Kernel für den Betrieb von Windows ohne Emulation auf technische Schwierigkeiten. Außerdem gab es bei der Neucompilierung von 16-Bit OS/2-Programmen für das 32-Bit Betriebssystem und den PPC-Chip Probleme. Der angekündigte Veröffentlichungstermin Sommer 1995 kam und ging mit nur ein paar Gerüchten, daß es eine Kommandozeilenversion als Alpha-Release gäbe, das von einer kleinen Gruppe von Entwicklern getestet würde. Eine GUI-Version sei aber nicht vor dem Frühjahr 1996 zu erwarten.

IBM hatte in der "InfoWorld"-Ausgabe vom 17. Juli 1995 eine ganzseitige Werbung geschaltet, die den Personal Computer Power Series 800 Super Client ($2695) mit einem 604er Chip zeigte. In der Darstellung schien ein Warp 3 darauf zu laufen, und IBM konnte nicht erklären, wie das gehen soll. Aus der Werbung war nicht ersichtlich, daß die vorgesehene PPC-Version von Warp noch gar nicht fertig war!

Zusätzliche Zweifel kamen auf, ob IBM gemäß ihren Ankündigungen rechtzeitig ausliefern würde, als Nutzer des PowerPC unter anderen Plattformen sagten, daß der PPC nicht so viel schneller als die Pentium-Chips seien, daß es deren hohen Preis rechtfertigen würde.

Die Veröffentlichung einer dritten Beta von Warp für den PPC wurde gestoppt und kam auch nicht bis zum neuen Termin im Juli 1995 heraus. Ein weiterer Termin im September 1995 verstrich ebenso. Microsoft machte Ankündigungen, um Aufmerksamkeit für NT 3.51 zu erhalten und die Glaubwürdigkeit der Aussage zu untergraben, daß IBM eine Warp-Version liefern würde. Der November kam und Microsoft sagte, daß es NT 3.51 für den PowerPC mit Motorolas PPC RISC Chips geben werde. Ab diesem Zeitpunkt schien es, als ob Microsoft IBM am Markt schlagen würde. Die IBM-Microsoft-Trennung köchelte im Hintergrund und mit dem Erscheinen jedes Betriebssystems, das den PowerPC unterstützte, wurden IBMs Bemühungen in Frage gestellt.

Es kamen weitere schlechte Nachrichten dazu. Laut Interviews von InfoWorld hatte IBM bis zum Dezember 1995 keinen ISV kontaktiert und darum gebeten, an PPC-Versionen existierender OS/2-Anwendungen zu arbeiten, aber behauptet, daß sich 100 ISVs beteiligen würden. Microsoft kündigte seine Version von NT für den PPC für Juni 1996 an und verschob es dann, bis die Version von NT 3.51 für den Intel Chip ausgeliefert wurde. Bis dahin hatte Microsoft bereits drei Betas für die NT/PPC Version herausgebracht. Macintoshs Anwendungsentwicklung für die Motorolaversion des PPC kam parallel zu diesen Entwicklungen schnell voran.

Die technischen und wirtschaftlichen Hindernisse waren zu groß. Die Aufgabe der Allianz zwischen Microsoft und IBM, Microsofts neue Verbindungen mit Intel; Intels Dominanz im CPU-Markt überwältigen IBMs schwache Herausforderung, die auf einem PPC fußt, dem die OS/2-Version der Programme und eine zu Ende entwickelte grafische Benutzerschnittstelle fehlten.

IBM war immer nur eine Hardware-, nie eine Softwarefirma. IBMs Ausrichtung auf den PPC-Chip und eine neue Linie von PCs, die auf einer neuen Version von Warp basieren, hat die Betonung zugunsten der Hardware verkehrt. Ihre Werbung und Softwareentwicklung waren nicht mit ihren Hardwareplanungen abgestimmt und die Veröffentlichung von NT 3.51 untergrub wirklich jeden guten Grund für eine Weiterentwicklung, egal durch welche Firma. Warp für den PPC war todgeweiht.

In der ersten Februarwoche 1996 kündigte IBM die Einstellung der Entwicklung für PPC-Desktops ebenso wie PPC-Version von OS/2 endgültig an. Die Laborversionen der PPC-Hardware wurden der IBM RISC Systems RS/6000 Gruppe zugeschoben.

Der potentielle PowerPC-Markt gähnte nur und wechselte zur Motorola/Mac-Option für den PPC. In der folgenden Woche im Februar 1996 wurde das RS/6000-Modell F30 mit einem AIX auf einem PowerPC 604 zu einem Preis von $13,995(!) angekündigt, aber mit nur einem NT 3.51 und einer Solaris-Version im aktuellen Angebot. Ein konkretes Eingeständnis von IBMs Kapitulation vor Microsoft und Sun, aber immer noch in der Hoffnung, mehr Hardware zu verkaufen. IBM hat die Warp PPC-Version danach nicht mehr erwähnt. Für IBM ging es um den Verkauf teurer Hardware.

Zu einem späteren Zeitpunkt, nachdem sich der Staub dieser Auseinandersetzung wieder gelegt hatte (darüber habe ich leider keine Presseauszüge in meinen Akten), hat Microsoft entschieden, daß die NT-Version für den PPC zu stark mit der Intelausgabe konkurriere und stampfte sie ein. Spiel, Satz und Sieg.

Ich denke, daß es IBM endlich richtig anfaßte, als man anfing, Linux als die Software-Herausforderung für Microsoft zu verfechten, ohne dabei AMD oder Intel durch den Einsatz eines RISC-Chips auf einem PC zu vergrätzen. IBMs jüngste Verkäufe ihrer Festplatten-Produktlinie und der PC-Abteilung an die Chinesen sind die logische Konsequenz ihres desaströsen Flirts mit dem PowerPC, PC und dem darauf basierenden Betriebssystem.

Aber das Spiel mit dem PPC, das IBM verlassen hatte, geht weiter. IBM wurde schlauer und benannte Linux als Betriebssystem-Alternative für Microsofts Betriebssysteme mit Hardwaresupport für die Großkunden. Trauriger Weise wurde dabei das dynamische Duo PPC und das Warp 3 für den PPC das Opfer.

Die Chance ist nur sehr gering, daß es irgendwo da draußen Prototypen der 4 PowerPC-Rechner gibt, auf denen Betaversionen von Warp für den PowerPC laufen. Wenn Sie irgendwann einmal solch ein Tier in freier Wildbahn sehen, würde ich gerne wissen, wo.


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